Nachgedacht- Alte Poetry Slamtexte


Gestern hörte ich Geschrei, laute Stimmen hinter der Wand.“


Es war nur Geschrei, keiner wurde geschlagen, aber immer, immer wieder, hörte man, wie er sie mit Worten erniedrigte. Dann das laute Schlagen einer Tür und plötzlich war alles still.
Nein, es war nicht still, wer genau hinhörte, vernahm das leise Wimmern. Sie weinte, weinte Tränen.
Am nächsten Morgen würde man keine äußerlichen Verletzungen erkennen, denn es war ja nur ein Streit, aber sie stritten sich häufig, ehrlich gesagt, jeden Tag.
Sie wusste schon morgens, dass sie irgendwann wieder einmal etwas falsch machen würde, wofür sie später Ärger bekam. Manchmal, weil sie vergaß etwas einzukaufen. Manchmal, weil das Essen nicht fertig war. Manchmal, weil sie nicht ordentlich geputzt hatte. Egal was war, er fand immer was.
Jeden Abend weinte sie. Tränen, die salzig auf der Zunge schmecken, ein bitterer Geschmack, vermischt mit Schmerz. Nass und kalt rollen sie die Wange hinab, verschwinden im nirgendwo.
Ebenso hoffte sie das mit den Tränen auch die Trauer verschwand, aber egal was sie tat, die Trauer und Angst blieb.
Sie war eine hübsche Frau, aber tief in ihr Drin, war alles zerstört. Ihre Seele trug die Narben, verletzt und ohne Selbstwertgefühl. Betete jede Nacht, dass er einmal einsichtig mit ihr sein würde. Suchte jede Nacht, suchte die Schuld bei sich.
Sie dachte, keiner könnte ihr helfen, denn es waren ja nur Worte.
Worte mit denen er sie schlug, sie verprügelte, mit bloßen Worten.
Diese Worte waren es, die sie langsam und sicher, innerlich zerstörten. Mehr und mehr stumpfte sie ab, verbot sich ihre Gefühle, verdrängte die Trauer, vergaß die Liebe, die sie einmal gefühlt hatte. Sie wollte einfach nur noch funktionieren, wie ein Roboter, denn sie fühlte sich abhängig von ihm.

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Zukunftsmusik

Du warst geboren in ein Leben. In eine Welt voller Gewalt, Gewalt, Gewalt. Kaum deinen ersten Laut von dir gegeben, musstest du lernen, was es heißt zu leben.
Leben heißt sich anpassen, unterordnen und schweigen.
Duckmäusern und ruhig sein. Ganz leise. Nur nicht auffallen.
Dein Leben war schon vorbestimmt, ehe du auch nur entstanden warst.
Durchläufst alles, so wie jeder andere auch.
Kindergarten. Schule. Arbeit. Rente.
Lernst zu lieben und zu hassen. Aber eins darfst du nie vergessen:
Falle bloß nie auf! Passe dich an. Ordne dich unter! Und schweige, wenn es angebracht ist!
So lebst du dein Leben bis zum Tod.
Setzt neue Menschen in die Welt, deine Kinder, die du vorgibst über alles zu lieben.
Doch du liebst sie nicht!
Menschen die du lieben würdest, würdest du nie einer solchen Zukunft aussetzen. Deine Kinder können dann nämlich nichts mehr ändern.
Ihre Welt, verseucht. Atomkraft als Zukunftsenergie hat nur so lange funktioniert, bis eine Katastrophe ganze Länder verseuchte, unbewohnbar machte.
Ihre Erde, erwärmt sich immer mehr. Am Nordseestrand herrschen Temperaturen wie am Mittelmeer. Die Polkappen ihrer Welt schmelzen dahin.
Inseln versinken unter den Fluten von Wassermassen. Den steigenden Meeresspiegel kann dann keiner mehr stoppen.

Du sitzt zu Hause. Deine Tür ist wahrscheinlich gerade geschlossen. Nachts hast du Angst vor Einbrechern, deine Privatsphäre ist dir heilig. Es ist unangenehm für dich, wenn Nachbar Müller, mal wieder in dein Fenster spannt. Aber was lässt du zu?
Deine Kinder lassen sich von ihrem eigenen Vaterstaat mit Kameras an jeder Ecke ausspionieren. Datenschutz gilt schon als illegal. Der lieber Herr Nachbar könnte ja ansonsten eine Leiche vergraben haben. Es muss schon jeder auf jeden aufpassen. Dann ist es doch völlig normal, wenn auch die nächste Generation Müller durch die Fenster spannt.
Lässt alle buddeln in deinem Leben und allen voran den Überwachungsstaat.

Das ist eine Welt, die man keinem zumuten kann. Die Zukunft liegt in unserer Hand, alles was zwischen Geburt und Tod liegt nimmt Einfluss auf den Wandel der Zeit. Aber erreichen kann man nichts, wenn man nicht aufsteht und laut wird. Man muss kämpfen und zwar sofort, ehe es zu spät ist. Nutze die Zeit, die dir noch verbleibt, breche aus dem Schema aus.
Kindergarten. Schule. Arbeit. Rente.
Das kann nicht alles sein. Es muss noch mehr zählen als bloße Leistung. Steh auf und tu' etwas gegen so eine Zukunft.